Ein persönlicher Bericht von Mona Harun-Mahdavi: Warum ich Strafanzeige gegen Innenminister Alexander Dobrindt gestellt habe
Warum ich Strafanzeige gegen Innenminister Alexander Dobrindt gestellt habe
Ein persönlicher Bericht von Mona Harun-Mahdavi
Am 3. Juli 2025 habe ich beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe Strafanzeige gegen Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) eingereicht. Anlass war sein Besuch in Israel Ende Juni und seine öffentliche Unterstützung für die israelischen Luftangriffe auf iranische Atomanlagen – ein Vorgehen, das nach Einschätzung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages und zahlreicher Völkerrechtler einen klaren Verstoß gegen das Gewaltverbot der UN-Charta darstellt.
Was hat Dobrindt gesagt – und warum ist das problematisch?
Während seines Besuchs in Israel stellte sich Herr Dobrindt uneingeschränkt hinter die Angriffe auf iranisches Staatsgebiet. Er bezeichnete die Zerstörung des iranischen Atomprogramms als „nachvollziehbar und richtig“ und sprach von einem „klaren Signal“ an den Iran, das auch Deutschland unterstütze.
Diese Aussagen sind aus meiner Sicht nicht nur politisch brisant, sondern auch juristisch relevant. Denn sie könnten als öffentliche Billigung eines völkerrechtswidrigen Angriffskriegs gewertet werden – und damit unter § 130 Abs. 5 StGB fallen, der die öffentliche Billigung von Kriegsverbrechen unter Strafe stellt.
Was sagt das Völkerrecht?
Das Gewaltverbot ist in Artikel 2 Absatz 4 der UN-Charta verankert und gilt als eine der zentralen Säulen des modernen Völkerrechts. Es verbietet Staaten, Gewalt gegen andere Staaten anzuwenden – es sei denn, es liegt ein bewaffneter Angriff vor und das Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 greift.
Im Fall der israelischen Angriffe auf den Iran war ein solcher Angriff nicht gegeben. Mehrere Völkerrechtler, darunter Prof. Marko Milanovic und Prof. Matthias Goldmann, haben klar festgestellt: Ein präventiver Angriff auf iranische Atomanlagen ist völkerrechtswidrig und kann nicht durch das Selbstverteidigungsrecht gerechtfertigt werden.
Warum eine Strafanzeige?
Ich bin der Meinung, dass ein deutscher Innenminister, der sich öffentlich hinter solche Angriffe stellt und sie als „richtig“ bezeichnet, sich nicht nur politisch, sondern auch rechtlich verantworten muss. Die Strafanzeige soll eine Prüfung durch die zuständigen Behörden ermöglichen – ob hier eine strafbare Billigung von Kriegsverbrechen vorliegt und ob völkerrechtliche Verpflichtungen Deutschlands verletzt wurden.
Was erwarte ich?
Mir ist bewusst, dass eine solche Anzeige nicht automatisch zu Ermittlungen führt. Aber ich halte es für meine demokratische Pflicht, auf mögliche Rechtsverstöße durch Amtsträger hinzuweisen. Die Strafanzeige ist ein Mittel, um den Rechtsstaat zu verteidigen – gerade dann, wenn seine Grundprinzipien wie das Gewaltverbot infrage gestellt werden.
Was bedeutet das für uns als Gesellschaft?
Wenn ein Minister öffentlich völkerrechtswidrige Gewalt unterstützt, dürfen wir nicht schweigen. Die UN-Charta, das Grundgesetz und das Völkerstrafrecht sind keine bloßen Formalien – sie sind das Fundament unserer internationalen und nationalen Rechtsordnung. Wer sie missachtet, muss sich der öffentlichen und juristischen Verantwortung stellen.
Wie die Justiz auf meine Strafanzeige reagierte
Am 14. Juli 2025 erhielt ich eine Rückmeldung von der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Eine Oberstaatsanwältin teilte mir mit, dass meine Strafanzeige gegen Innenminister Alexander Dobrindt an die zuständige Landes-Staatsanwaltschaft weitergeleitet wurde. Begründung: Die Bundesanwaltschaft sei für den Tatbestand des § 130 Abs. 5 StGB – also die öffentliche Billigung von Kriegsverbrechen – nicht zuständig.
Das allein war bereits bemerkenswert, denn § 130 Abs. 5 StGB wurde gerade mit Blick auf internationale Verbrechen und deren öffentliche Verharmlosung oder Billigung eingeführt. Doch noch aufschlussreicher war die inhaltliche Bewertung, die mir ebenfalls mitgeteilt wurde.
Zitat aus dem Schreiben der Bundesanwaltschaft:
„Einer Strafbarkeit nach § 13 VStGB stünde bereits entgegen, dass die von Ihnen beanstandeten Äußerungen nach Abschluss des militärischen Vorgehens Israels gegen den Iran erfolgten – an (angeblichen) Straftaten kann sich nach deren Abschluss jedoch nicht mehr beteiligt werden.“
Zudem hieß es:
„Auf eine Bewertung der Zulässigkeit des militärischen Vorgehens des Staates Israel gegen den Iran kommt es nicht an.“
Was bedeutet das?
Die Bundesanwaltschaft argumentiert, dass eine Beteiligung an einem Kriegsverbrechen nur möglich sei, solange dieses noch andauert. Da Dobrindts Äußerungen nach dem Angriff Israels erfolgten, könne keine strafrechtliche Beteiligung vorliegen. Außerdem – und das ist besonders brisant – wird ausdrücklich erklärt, dass die rechtliche Bewertung des israelischen Militärschlags gegen den Iran nicht relevant sei.
Diese Haltung wirft für mich grundlegende Fragen auf:
- Darf ein deutscher Minister öffentlich völkerrechtswidrige Gewalt gutheißen, ohne dass dies juristische Konsequenzen hat?
- Wird das Gewaltverbot der UN-Charta damit faktisch entwertet?
- Welche Rolle spielt das Völkerrecht in der deutschen Strafverfolgung, wenn es um politische Amtsträger geht?
Ich sehe in dieser Argumentation eine gefährliche Verschiebung: Die zeitliche Reihenfolge der Äußerung wird als Schutzschild verwendet, obwohl die Billigung eines völkerrechtswidrigen Angriffs auch nach dessen Durchführung eine politische und rechtliche Wirkung entfaltet – insbesondere, wenn sie von einem Regierungsmitglied kommt.
Was ich daraus mitnehme
Die Antwort der Bundesanwaltschaft zeigt, wie schwierig es ist, völkerrechtliche Prinzipien gegenüber politischen Amtsträgern durchzusetzen. Dennoch halte ich es für wichtig, solche Vorgänge öffentlich zu machen und zur Diskussion zu stellen. Denn wenn das Völkerrecht nur noch selektiv angewendet wird, verliert es seine Schutzfunktion – für Menschen, für Staaten und für den Frieden.
Meine Antwort an die Bundesanwaltschaft
Am 29. Juli 2025 habe ich auf das Schreiben der Bundesanwaltschaft reagiert und meine Position nochmals deutlich gemacht. Ich hielt es für notwendig, die juristische und politische Tragweite meiner Anzeige zu präzisieren, da die Rückmeldung aus meiner Sicht den Kern meines Vorwurfs verfehlte.
Zitat aus meiner Antwort:
Warum diese Klarstellung wichtig war
Die Bundesanwaltschaft hatte meine Anzeige offenbar so verstanden, als würde ich Herrn Dobrindt eine aktive Beteiligung an den Angriffen Israels unterstellen. Doch das war nie mein Vorwurf. Es geht mir um die öffentliche Billigung eines völkerrechtswidrigen Gewaltakts durch ein deutsches Regierungsmitglied – und um die Frage, ob eine solche Billigung mit den Grundsätzen unserer Verfassung und dem Völkerrecht vereinbar ist.
Die Äußerungen Dobrindts erfolgten nicht im luftleeren Raum. Sie haben politische Wirkung, sie senden Signale – nach innen wie nach außen. Und sie stehen im Widerspruch zu den Prinzipien, die Deutschland in internationalen Beziehungen zu vertreten vorgibt.
Was folgt daraus?
Ich sehe es als meine Aufgabe, diese Widersprüche sichtbar zu machen. Die Strafanzeige war ein erster Schritt. Die juristische Auseinandersetzung ist damit nicht beendet – im Gegenteil. Sie zeigt, wie dringend wir über die Rolle des Völkerrechts in der deutschen Innenpolitik sprechen müssen. Und darüber, wie wir mit politischen Aussagen umgehen, die Gewalt legitimieren.
Zur rechtlichen Bewertung des israelischen Angriffs – und der Reaktion der Bundesanwaltschaft
Besonders irritiert hat mich die Aussage der Oberstaatsanwältin, wonach:
„Auf eine Bewertung der Zulässigkeit des militärischen Vorgehens des Staates Israel gegen den Iran kommt es nicht an.“
Diese Argumentation halte ich für rechtlich bedenklich. Sie ignoriert die völkerrechtliche Relevanz des israelischen Angriffs und blendet damit einen zentralen Aspekt meiner Anzeige aus. Denn nach übereinstimmender Einschätzung – unter anderem durch den Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages – stellt dieser Angriff einen klaren Verstoß gegen das Gewaltverbot der UN-Charta (Art. 2 Abs. 4) dar und ist somit als völkerrechtswidriger Angriffskrieg zu bewerten.
Die pauschale Ablehnung einer strafrechtlichen Prüfung solcher Handlungen widerspricht aus meiner Sicht dem verfassungsrechtlichen Auftrag zur Friedenswahrung gemäß Art. 26 GG, der ausdrücklich auf die Ächtung von Angriffskriegen abzielt. Ebenso wird die Bedeutung des Völkerrechts im deutschen Rechtssystem – wie sie in Art. 25 GG verankert ist – durch diese Haltung relativiert.
Darüber hinaus ist § 130 Abs. 5 StGB aus meiner Sicht sehr wohl einschlägig, wenn ein Regierungsmitglied öffentlich Gewaltakte billigt, die nach völkerrechtlicher Bewertung als Kriegsverbrechen oder Angriffskriege einzustufen sind. Die zeitliche Abfolge der Äußerung (nach dem Angriff) ändert nichts an deren Wirkung und Bedeutung – insbesondere nicht, wenn sie von einem Minister in offizieller Funktion getätigt wird.
Was bleibt?
Die juristische Auseinandersetzung mit meiner Strafanzeige zeigt, wie schwierig es ist, völkerrechtliche Prinzipien gegenüber politischen Amtsträgern durchzusetzen. Doch gerade deshalb halte ich es für notwendig, diese Vorgänge öffentlich zu dokumentieren und zur Diskussion zu stellen. Denn wenn das Völkerrecht in der politischen Praxis ignoriert wird, verliert es seine normative Kraft – und damit seine Schutzfunktion für den Frieden.
Zur Frage der Zuständigkeit – und der Gleichbehandlung vor dem Gesetz
Ein weiterer Aspekt, den ich in meiner Antwort vom 29. Juli 2025 angesprochen habe, betrifft die von der Bundesanwaltschaft behauptete Nicht-Zuständigkeit für § 130 Abs. 5 StGB. Diese Begründung wirft für mich grundsätzliche Fragen auf – insbesondere im Hinblick auf die Gleichbehandlung bei der strafrechtlichen Verfolgung vergleichbarer Fälle.
Zitat aus meinem Schreiben:
„Die selektive strafrechtliche Verfolgung – etwa im Vergleich zur konsequenten Ahndung der Verharmlosung russischer Kriegsverbrechen – wirft Fragen hinsichtlich des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) auf. Strafverfolgung muss unabhängig vom politischen Kontext erfolgen, um Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit zu wahren.“
Was bedeutet das konkret?
In den letzten Jahren wurden zahlreiche Verfahren gegen Personen eingeleitet, die russische Kriegsverbrechen – etwa im Zusammenhang mit dem Angriff auf die Ukraine – öffentlich verharmlost oder geleugnet haben. Diese Verfahren stützten sich ebenfalls auf § 130 Abs. 5 StGB, der genau für solche Fälle geschaffen wurde.
Wenn nun ein deutscher Minister öffentlich einen Angriffskrieg gutheißt, der nach völkerrechtlicher Bewertung ebenso klar gegen das Gewaltverbot der UN-Charta verstößt, und die Justiz erklärt sich für nicht zuständig, entsteht der Eindruck einer politisch motivierten Selektivität. Das ist nicht nur rechtlich problematisch, sondern auch gefährlich für das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Justiz.
Warum das Gleichbehandlungsgebot zählt
Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes garantiert die Gleichheit vor dem Gesetz. Das bedeutet: Gleiche Sachverhalte müssen gleich behandelt werden – unabhängig davon, wer betroffen ist. Wenn die Strafverfolgung bei Äußerungen zu russischen Kriegsverbrechen greift, muss sie auch bei Äußerungen zu anderen völkerrechtswidrigen Angriffen greifen – unabhängig davon, ob es sich um Israel, Russland oder einen anderen Staat handelt.
Mein Fazit
Die selektive Anwendung von Strafrecht untergräbt die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaats. Gerade bei sensiblen Themen wie Krieg, Völkerrecht und politischer Verantwortung muss die Justiz konsequent, unabhängig und transparent handeln. Nur so kann das Vertrauen in die demokratischen Institutionen gewahrt bleiben.
Weiterer Verlauf – Kommunikation mit der Staatsanwaltschaft Berlin
Laut dem Schreiben der Bundesanwaltschaft vom 14. Juli 2025 wurde meine Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Berlin weitergeleitet. Um sicherzustellen, dass die Anzeige dort vollständig und korrekt vorliegt, habe ich am selben Tag die komplette Strafanzeige samt Anlagen und Belegen per Einschreiben eigenständig an die Berliner Behörde geschickt. In meinem Schreiben bat ich höflich um eine Eingangsbestätigung.
Da ich bis dahin keine Rückmeldung erhalten hatte, habe ich am 22. August 2025 erneut schriftlich um eine Eingangsbestätigung gebeten.
Am 16. September 2025 konnte ich in einem Telefonat mit der Staatsanwaltschaft Berlin schließlich in Erfahrung bringen, dass meine Strafanzeige dort eingegangen ist. Allerdings wurde mir mitgeteilt, dass ich zur weiteren Bearbeitung nochmals ein Schreiben mit der Bitte um Eingangsbestätigung schicken solle – und diesem Schreiben eine Kopie meines Ausweises beifügen müsse, da Zweifel an meiner Identität bestünden.
Was mich daran irritiert
Die Tatsache, dass ich trotz mehrfacher schriftlicher Kontaktaufnahme und eines Einschreibens keine formelle Eingangsbestätigung erhalten habe, wirft Fragen zur Transparenz und Bürgernähe der Strafverfolgungsbehörden auf. Die zusätzliche Anforderung einer Ausweiskopie – nach bereits erfolgter postalischer Übermittlung – erscheint mir in diesem Zusammenhang als bürokratische Hürde, die nicht im Sinne einer bürgerfreundlichen und rechtsstaatlichen Kommunikation steht.
Warum ich dennoch dranbleibe
Ich bin überzeugt, dass es gerade bei rechtlich und politisch sensiblen Themen wie der öffentlichen Billigung völkerrechtswidriger Gewaltakte wichtig ist, konsequent und dokumentiert vorzugehen. Die Strafanzeige ist nicht nur ein juristisches Mittel, sondern auch ein Ausdruck demokratischer Verantwortung. Deshalb werde ich den Vorgang weiter begleiten – und hier transparent darüber berichten.
Behördliche Kommunikation – oder: Wie man eine Eingangsbestätigung nicht bekommt
Am 16. September 2025 habe ich erneut ein Schreiben an die Staatsanwaltschaft Berlin geschickt. Darin bat ich wiederholt um eine Eingangsbestätigung, möglichst mit Angabe des Aktenzeichens, um den Bearbeitungsstand meiner Strafanzeige nachvollziehen zu können.
Zugleich habe ich mich zu der Aufforderung geäußert, eine Kopie meines Ausweises beizufügen. Diese habe ich gemäß § 59 Absatz 4 BDSG abgelehnt, da keine begründeten Zweifel an meiner Identität vorlagen und ich bereits mehrfach schriftlich sowie telefonisch kommuniziert hatte. Die Anforderung erschien mir unverhältnismäßig und nicht rechtskonform.
Was dann geschah – oder eben nicht geschah
Knapp vier Wochen später, also insgesamt drei Monate nach Eingang meiner Strafanzeige, hatte ich immer noch keine Antwort erhalten. Kein Aktenzeichen, keine Eingangsbestätigung, keine inhaltliche Rückmeldung.
Nach einem weiteren Telefonat wurde mir zwar versichert, dass die Eingangsbestätigung und das Aktenzeichen „zeitnah“ zugesendet würden – doch ich hatte bereits den Eindruck, dass ich mich darauf nicht verlassen konnte.
Dienstaufsichtsbeschwerde – ein notwendiger Schritt
Aus diesem Grund habe ich am 7. Oktober 2025 eine schriftliche Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Staatsanwaltschaft Berlin wegen unterlassener Bearbeitung einer übermittelten Strafanzeige an die Generalstaatsanwaltschaft Berlin eingereicht.
Am 10. Oktober 2025 erhielt ich von dort ein Schreiben mit dem Geschäftszeichen – ein erster formeller Schritt, der zumindest die Existenz meiner Anzeige bestätigte.
Von der Staatsanwaltschaft Berlin selbst habe ich jedoch seit Eingang der Strafanzeige vor fast vier Monaten keinerlei Rückmeldung erhalten.
Was das über den Zustand unserer rechtsstaatlichen Verwaltung aussagt
Die Verzögerungen, die mangelnde Kommunikation und die bürokratischen Hürden werfen ein beunruhigendes Licht auf den Umgang mit Bürgeranliegen – insbesondere dann, wenn es um die Anzeige möglicher Straftaten durch Regierungsmitglieder geht. Die Strafanzeige ist ein legitimes Mittel der demokratischen Kontrolle. Wenn sie ignoriert oder verschleppt wird, leidet nicht nur das Vertrauen in die Justiz, sondern auch die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaats.
Ein Fall, der Fragen aufwirft – und ein Beispiel für strukturelle Probleme
Die ausbleibende Bearbeitung meiner Strafanzeige durch die Staatsanwaltschaft Berlin ist für mich nicht nachvollziehbar und wirft Fragen hinsichtlich der Einhaltung gesetzlicher Pflichten gemäß § 152 Abs. 2 StPO sowie des Grundsatzes der Verfahrensförderung auf. Die Kombination aus vollständigem Schweigen der Behörde, dem Fehlen einer Eingangsbestätigung gemäß § 34 VwVfG, und der aus meiner Sicht unangemessenen Forderung nach einem Identitätsnachweis trotz klarer Angaben zur Person und Adresse, lässt den Eindruck entstehen, dass das Verfahren nicht mit der gebotenen Sorgfalt und rechtsstaatlichen Verfahrensführung betrieben wird.
Dieses Verhalten steht im Widerspruch zu den Anforderungen eines fairen und transparenten Ermittlungsverfahrens und verletzt mein berechtigtes Interesse auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG.
Ein besonders aufschlussreiches Beispiel für strukturelle Probleme in der Strafverfolgung ist der Fall Maja T., eine deutsche Staatsbürgerin, die im Sommer 2024 in einer Nacht-und-Nebel-Aktion nach Ungarn ausgeliefert wurde – trotz eines laufenden Eilantrags beim Bundesverfassungsgericht, das die Auslieferung später als rechtswidrig einstufte. Die Auslieferung erfolgte unter Beteiligung des Landeskriminalamts Sachsen und der Generalstaatsanwaltschaft Berlin, obwohl das höchste deutsche Gericht die Übergabe ausdrücklich untersagt hatte.
Dieser Fall zeigt, wie gefährlich es sein kann, wenn rechtsstaatliche Prinzipien durch übereilte Exekutivmaßnahmen unterlaufen werden – insbesondere in Zusammenarbeit mit Regierungen, deren rechtsstaatliche Standards international in der Kritik stehen. Die mangelnde Sensibilität gegenüber Grundrechten, insbesondere gegenüber marginalisierten Gruppen, wirft Fragen auf, ob ideologische Einflüsse in Teilen der Exekutive eine Rolle spielen könnten.
Was bedeutet das für die Demokratie?
Wenn Bürgerinnen und Bürger berechtigte Strafanzeigen einreichen – etwa gegen Amtsträger, die völkerrechtswidrige Gewaltakte öffentlich billigen – und diese Anzeigen nicht bearbeitet oder ignoriert werden, entsteht der Eindruck, dass die Strafverfolgung nicht unabhängig, sondern politisch selektiv erfolgt. Das widerspricht dem Grundsatz der Unparteilichkeit der Exekutive, wie er im demokratischen Rechtsstaat verankert ist.
Die deutsche Verfassung ist ein starkes Fundament – aber sie ist nur so wirksam, wie ihre Institutionen bereit sind, sie zu verteidigen. Wenn selbst das Bundesverfassungsgericht in akuten Fällen übergangen wird, stellt sich die Frage: Wer schützt unsere Verfassung, wenn die Exekutive versagt?
Gerade in Zeiten, in denen autoritäre und rechtsextreme Kräfte an Einfluss gewinnen, ist es umso wichtiger, dass die Justiz transparent, unabhängig und konsequent handelt. Denn ein Rechtsstaat, der mehr mit „rechts“ als mit „Recht“ zu tun hat, verliert seine demokratische Legitimation.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen